Tannine sind für das pelzige Gefühl verantwortlich, das du nach einem Schluck Rotwein verspürst. Gerbstoffe verleihen Rotweinen eine weitere Stufe der Komplexität, sofern sie gut vom Winzer in den Wein eingearbeitet wurden. Sie gehören zur Gruppe der sekundären Pflanzenstoffe (Polyphenole). Ihre stark antioxidative Eigenschaft schützt den Wein vor Sauerstoff und ihre antibakterielle Wirkung stabilisiert den Wein zusätzlich. In diesem Artikel erfährst du interessante Fakten über die Tannine im Rotwein.
Beim Wort Tannin denken wir vor allem an Wein, jedoch finden sich die Gerbstoffe in vielen Pflanzen. Sie stecken vor allem in den holzigen und grünen Pflanzenteilen, wo sie durch ihre adstringierende Wirkung Fressfeinde abschrecken. Die im Wein zu findenden Tannine stammen fast ausschließlich aus den Beerenschalen. Die Gerbsäure der Stiele und Fruchtkerne sind, aufgrund ihres bitteren und phenolischen Geschmacks, im Wein unerwünscht.
Was sind Tannine?
Tannine bilden eine Gruppe diverser pflanzlicher Gerb- und Bitterstoffe und werden fachlich als Polyhydroxyphenole bezeichnet. In der Önologie kennt man über 30 Arten, von denen sich nicht alle positiv auf den Wein auswirken. Als sekundäre Pflanzenstoffe sind sie für Gewächse nicht lebensnotwendig, sondern dienen ihnen als Verteidigung gegen Fressfeinde. Ihr bitterer Geschmack und ihre adstringierende Wirkung verhindern, dass diese sich an der Pflanze vergehen.
Der Name Tannin erinnert nicht zufällig an einen bekannten Nadelbaum. Die Rinde und das Holz der Tanne enthalten große Mengen dieser Gerbstoffe, die Gerber früher zur Herstellung von Leder verwendeten. Mit ihnen wurde die rohe Tierhaut gegerbt und zu Leder verarbeitet. Noch heute verwenden traditionelle Gerber diese Stoffe zur Konservierung.
Beerenhaut, Kerne und Stiele: Daher stammen die Tannine im Wein
Die Gerbstoffe, die wir später im Wein wahrnehmen, stecken nicht im Fruchtfleisch der Trauben. Sie finden sich ausschließlich in den Schalen, Kernen und in den Traubenstielen – den sogenannten Rappen. Der Rebe dienen sie als schützende Pflanzenstoffe und halten potenzielle Fressfeinde davon ab, sich großflächig an der Pflanze zu vergehen. Tannine finden sich nicht nur bei Rebsorten mit rot- oder blauschaligen Beeren, sondern auch in weißen Rebsorten. In Weißweinen sind sie allerdings unerwünscht, weswegen die Trauben nach der Ernte gepresst und nur der Most vergoren wird.
Eine Ausnahme bilden die sogenannten Orange Weine. Ähnlich wie Rotweine werden diese kurz auf der Maische vergoren. Dadurch erhalten sie ihre namensgebende Farbe und einen leichten Tanningehalt.
Schalendicke und Kern-Fruchtfleisch-Verhältnis als wichtigste Faktoren
Wie gerbstoffreich ein Wein ist, hängt stark von seiner Rebsorte ab. Die Dicke der Beerenschale und das Verhältnis von Fruchtfleisch zu Traubenkernen sind die wichtigsten Faktoren. Rebsorten mit einer dicken Schale bringen gerbstoffreichere Weine hervor als ihre dünnschaligen Verwandten, sofern identisch hergestellt.
In der folgenden Liste findest du ein paar Rebsorten mit dicken und dünnen Schalen.
Rebsorten mit dicker Schale
- Cabernet Sauvignon
- Syrah / Shiraz
- Nebbiolo
- Dornfelder
- Malbec / Côt
Rebsorten mit dünner Schale
- Pinot Noir
- Grenache
- Gamay
- Merlot
- Cabernet Franc
Gutes und schlechtes Tannin: Gibt es Unterschiede?
Man unterscheidet zwischen unreifen und reifen Tanninen. Die unreifen Gerbstoffe werden in der Weinansprache als grüne Tannine bezeichnet.
Grüne Gerbstoffe stecken, wie es der Name bereits vermuten lässt, in den grünen Pflanzenteilen (Stiele, Kerne, unreife Traubenhaut) der Traube. Ihr grüner und bitterer Geschmack lässt sich auch durch eine längere Lagerung nicht in den Wein integrieren. Die größte Gefahr für den Wein geht von unreifen Beerenschalen aus, da ihre Gerbsäure den größten Anteil im Wein ausmacht.
Reife Tannine finden sich in den vollreifen Beerenschalen und bilden langkettige Molekülverbindungen. Durch den Reifeprozess haben sie ihre grünen und bitteren Noten abgebaut.
Den Reifegrad der Tannine ermittelt der Winzer sensorisch, indem er die Beeren vor der Lese probiert. Das Mostgewicht ist für die Reife der Gerbsäure übrigens kein verlässlicher Faktor. Die Tannine (Beerenschalen) reifen meist langsamer als das Fruchtfleisch.
Maischegärung löst Tannine aus den Traubenschalen
Gerbstoffe finden sich fast ausschließlich in Rotweinen, was mit ihrer Herstellung zusammenhängt. Anders als Weißweine unterlaufen sie einer Maischegärung. Hierbei liegt der Most mit den Schalen, Kerne und Stielresten gemeinsam im Gärbehälter. Durch die einsetzende Mazeration lösen sich die Tannine aus Pflanzenteilen.
Wie viele Gerbstoffe sich während der Zeit auf der Maische lösen, hängt von der Gärtemperatur und der Gärdauer ab. Als modern gilt eine kurze und heiße Gärung. Die Maische gärt hier bei 30 – 35 °C kurz (teilweise unter zwei Tagen) an. Anschließend wird der Most abgezogen und ohne Feststoffe weiter fermentiert. So stellt der Kellermeister sicher, dass nur leichtlösliche Gerbstoffe aus den Schalen in den Wein übergehen. Die ungewollten Tannine verbleiben in den Kernen und Stielresten.
Bei der traditionellen Niedrigtemperatur-Gärung gärt die Maische bis zu 30 Tage und laugt die Bestandteile aus. Durch die längere Kontaktzeit steigt die Gefahr, dass ungewollte Gerbstoffe in den Wein übergehen.
Ausbau im Barrique verringert den Tanningehalt im Wein
Nach abgeschlossener Maischegärung zieht der Winzer den Most ins Fass um, wo er weiter fermentiert. Der Ausbau, die Art und Größe des Holzfasses wirken auf die Gerbsäure im Wein ein.
Fast alle neuen Weinfässer werden vor ihrer Nutzung weingrün gemacht. Bei dieser Prozedur wird das Fass mit Wasser behandelt, was den Großteil der Gerb- und Farbstoffe aus den Fassdauben ausschwemmt. Bereits ab der zweiten Füllung geben diese Fässer keine eigenen Gerbstoffe mehr an den Wein ab. In der Önologie spricht man dann von neutralem Holz.
Eine Ausnahme bildet hier das Barrique. Diese Kleinfässer werden nicht weingrün gemacht und geben Tannine und Geschmacksstoffe an den Wein ab. Im Verhältnis zu seinem Volumen hat der Wein in einem Barrique eine große Kontaktfläche mit dem Fassholz. Da Fassdauben nicht luftdicht abschließen, hat der Wein viel Sauerstoffkontakt.
Die antioxidativen Tannine reagieren mit dem Sauerstoff und den Farbstoffen (Anthozyane) des Weins und bilden langkettigere und komplexere Moleküle. Diese wachsen mit der Zeit an, flocken aus und setzen sich am Fassboden ab. Dieser Vorgang nennt sich Polymerisation. Komplexe Tanninmoleküle sorgen für ein samtiges Mundgefühl.
Es ist ein Irrglaube, dass der Ausbau im Barrique den Wein mit Tanninen anreichert. Zwar geben neue Fässer Gerbstoffe an den Wein ab, durch den hohen Sauerstoffaustausch bauen sie sich jedoch wieder ab. Am Ende seiner Fassreife hat ein Barriquewein weniger Gerbstoffe als davor.
Gibt es Tannine auch im Weißwein?
Gerbstoffe sind im Weißwein in der Regel unerwünscht, da sie die filigranen Weine geschmacklich dominieren würden. Aus diesem Grund presst der Winzer die Trauben nach der Lese und vergärt nur den gewonnenen Traubenmost (Mostgärung). Damit möglichst wenig Gerbstoffe in den Wein gelangen, bedarf es einer besonders schonenden Presse. Mit ihr stellt der Weinmacher sicher, dass die Traubenkerne nicht beschädigt werden und die aggressiven Gerbstoffe in ihnen verbleiben.
Eine Ausnahme bilden hier die Orange Weine. Bei ihnen handelt es sich um Weißweine, die wie Rotweine vinifiziert wurden. Sie durchlaufen eine kurze Maischegärung, was ihre namensgebende Farbe erklärt. Neben den Farbpigmenten werden auch einige Gerbstoffe aus der Traubenhaut gelöst. Unter Kennern lässt sich wunderbar über diese Art von Wein streiten. Die geschmacklichen Eigenschaften der Gerbstoffe maskieren das typische Aroma der Rebsorte. Orange Weine haben daher eine sehr spezielle Stilistik, die nicht jedem zusagt. Der normale Weintrinker kommt jedoch kaum mit einem Orange in Kontakt.
Wissenschaftlich erklärt: Daher kommt das pelzige Gefühl auf der Zunge
Jeder der einmal einen Rotwein im Glas hatte, kennt das typische Mundgefühl, das er hinterlässt. Es reicht von einem leicht rauen Gefühl auf der Zunge bis hin zu dem Eindruck, dass der komplette Mund austrocknet und sich zusammenzieht.
Bei diesem Gefühl handelt es sich allerdings nicht um einen Geschmackseindruck, wie viele glauben. Tatsächlich entsteht er aufgrund einer verminderten Gleitfähigkeit der Mundschleimhaut und wird durch unseren Tastsinn wahrgenommen.
Lange Zeit war nicht bekannt, was es mit diesem adstringierenden Mundgefühl auf sich hat. Im Jahr 2016 fanden Forscher des Lanzhou Institute of Chemical Physics letztendlich die Antwort auf diese Frage. In Laborversuchen stellten sie fest was nach einem Schluck Rotwein in unserem Mund passiert.
Unsere Mundschleimhaut besitzt eine Gruppe gleitfähiger Proteine. Diese sind dafür zuständig, dass Nahrung problemlos unsere Speiseröhre hinabgleiten kann, ohne uns in der Kehle stecken zu bleiben. Diese sogenannten Mucine sorgen dafür, dass unser Mund stets feucht und gleitfähig bleibt. Ohne sie könnten wir keine feste Nahrung essen.
Genießt du einen Schluck Rotwein, binden sich die im Wein enthaltenen Tannine an die Mucine und lassen sie ausflocken – unsere Mundhöhle verliert ihren Gleitfilm. Das raue Gefühl ist also kein seltsamer Geschmack, sondern das Ergebnis eines biochemischen Prozesses, der den Gleitfilm deiner Mundschleimhaut kurzzeitig auflöst. Deine Zunge gleitet nicht mehr und bleibt überall etwas hängen. Die Stärke dieses Effekts hängt vom Gerbstoffgehalt des Weins ab.
Dieses Phänomen tritt auch bei anderen gerbstoffreichen Getränken auf, wie zum Beispiel bei Schwarztee*.