Weine aus Ägypten? Da schütteln selbst Kenner verwirrt den Kopf. Dabei hat sich in puncto Weinbau im Land der Pharaonen in den letzten Jahren so einiges bewegt. Mittlerweile bestehen Weine vom Nil sogar bei Fachpublikum auf dem internationalen Parkett.
Der Weinbau hat in Ägypten eine lange Tradition. Der Kult um den Rebensaft und die hohe Wertschätzung von Wein als Getränk der Elite stammt sogar von den Pharaonen selbst. Einen bescheidenen Wiederbelebungsversuch des Weinbaus startete man Ende des 19. Jahrhunderts. Doch so richtig genießbar wurde ägyptischer Wein nicht. Seit ein paar Jahren weht jedoch ein neuer Wind. Um den klimatischen Bedingungen zu trotzen, werden die Reben kurzerhand ausgetrickst, und auch bei der Verarbeitung der Trauben müssen die Winzer Kreativität an den Tag legen. Doch der Einsatz zahlt sich aus. Ägyptische Weine haben mehrfach Auszeichnungen in London, Brüssel und Montpellier erhalten. Dabei ist besonders bemerkenswert, dass die edlen Tropfen vom Nil in Bioqualität daherkommen.
Wein in Ägypten: Eine kleine Bestandsaufnahme
Jedes Land braucht einen eigenen guten Wein, aber bislang hatte sich das offensichtlich nicht bis nach Ägypten herumgesprochen. Touristen, die von den Badeorten am Roten Meer zurückkamen, wussten wahre Schauergeschichten zu berichten. Sauer war da fast noch als Kompliment für den lokalen Wein zu verstehen. Wer nach Kairo auf Geschäftsreise musste und den Abend mit einem Glas Wein ausklingen lassen wollte, hatte ebenfalls die Wahl zwischen Pest und Cholera. Will heißen: Entweder schenkte der Barkeeper einen lokalen Tropfen aus oder es wurde Importware serviert, die aus billigen Traubensaftkonzentraten zusammengepanscht war.
Der Wein ist im bevölkerungsreichsten arabischen Land ein nicht ganz unbelastetes Thema. Da wären zum einen religiöse Aspekte. Die Mehrheit der mittlerweile knapp 100 Millionen Ägypter bekennt sich zum Islam. Dort ist Alkohol harām, was so viel wie verboten bedeutet. Schweinefleisch teilt dieses Schicksal. Trotzdem ist Alkohol im Land am Nil nicht verboten. In den großen internationalen Hotels und in Bars in Kairo, Alexandria und den Touristenzentren am Roten Meer wird er ausgeschenkt.
Wer Wein für zu Hause kaufen möchte, geht in einen der Drinkies genannten Läden. Dort dümpeln ein paar Flaschen Weiß- und Rotwein vor sich hin, auch Rosé ist erhältlich. Neben einheimischer Ware gibt es ab und zu Wein aus Frankreich und Italien – zu einem Preis, der jeglicher Relation spottet. Denn der ägyptische Staat besteuert Importweine mit 3.000 Prozent.
Die Weinkultur wurde am Nil geboren
Dabei war das einmal ganz anders mit dem Wein. Im Altertum war er in aller Munde. Wein zählte als Lebensmittel und wurde zu medizinischen Zwecken verwendet: zum Beispiel als Desinfektionsmittel, Hustensirup oder gegen Fieber.
Im alten Ägypten hatte man schon in vordynastischer Zeit mit dem Anbau von Wein begonnen. Weingläser finden sich bereits als Grabbeigaben in der ersten Dynastie – was gleichzeitig bedeutet, dass Wein das Getränk der Oberschicht war. Die Kellereien wurden ausschließlich von Mitgliedern des Adels betrieben. Einen eigenen Weinberg zu besitzen, war ähnlich prestigeträchtig wie es heute eine Yacht oder ein teurer Sportwagen ist. An das einfache Volk wurde nur anlässlich von bestimmten religiösen Festen ausgeschenkt.
Dem Wein wurden auch spirituelle Qualitäten zugeschrieben. Unter dem Strich lässt sich sagen, dass die Weinkultur vom Nil aus ihren Siegeszug in die Welt angetreten hat. Dort wusste man zuerst einem guten Tropfen Kultstatus zu verleihen. Durch Darstellungen in Gräbern, aber auch durch die chemische Analyse von Überresten in Gläsern und Amphoren ist die Weinkultur der alten Ägypter gut zu rekonstruieren.
Auch die alten Rebsorten sind bekannt: Irep Mehu aus dem Nildelta, dem antiken Zentrum des Weinanbaus, Irep Bes, Irep Imit, beide benannt nach dem Ort ihrer Produktion, und ein süßer Wein mit hohem Alkoholgehalt namens Irep Dedjem.
Gerne setzte man dem Wein noch Trockenfrüchte oder Honig zu. Die Ägypter tranken hauptsächlich Rotwein. Aus Amphoren im Grab von Pharao Tutanchamun weiß man jedoch, dass auch importierter Weißwein ausgeschenkt wurde.
Wiederbelebung des ägyptischen Weinbaus Ende des 19. Jahrhunderts
Nachdem der Islam ab dem 7. Jahrhundert in Ägypten Einzug hielt, kam die Weinproduktion zum Erliegen. Allein die ägyptischen Juden schienen zum Eigengebrauch das Mittelalter hindurch Wein produziert zu haben. Erst Ende des 19. Jahrhunderts erfuhr der Weinbau im Land der Pharaonen ein Revival.
Der griechisch-ägyptische Unternehmer Nestor Gianaclis legte 1882 den ersten modernen Weinberg südlich von Alexandria im Nildelta an. Nach und nach entstand eine zwar bescheidene, aber dennoch beachtenswerte Weinindustrie, die bis zum Jahr 1952 kontinuierlich expandierte.
»Das Holz würde sich bei diesem Klima ausdehnen und Luft in die Fässer hineingelangen. Dann wäre der Wein ruiniert.«
Dann wurde die Monarchie in ein Präsidialsystem umgewandelt, was 1963 dazu führte, dass Weinstöcke und Brauereien am Nil verstaatlicht wurden. Ein schlechtes Management und das Aufkommen konservativer islamischer Strömungen in der Gesellschaft führten zum Niedergang der wiederbelebten Weinkultur. Das Unternehmen, das Gianaclis übernommen hatte, wurde 1997 privatisiert und fünf Jahre später an Heineken verkauft. Doch das war nicht der alleinige Grund, warum dem ägyptischen Weinbau so ein trauriges Schicksal beschieden war.
Im Jahr 1970 wurde der Assuanstaudamm im Süden des Landes eröffnet. Was für die einen ein Segen war, gestaltete sich für die anderen als Fluch. Denn plötzlich blieb der fruchtbare Nilschlamm aus, der über Jahrtausende hinweg nach der jährlichen Überschwemmung für fruchtbare Böden gesorgt hatte. Für die Weinstöcke war das fatal.
Experimente haben den Weinbau revitalisiert
In der Verzweiflung, doch noch einen brauchbaren Wein zu produzieren, wurden Trauben aus dem Ausland, meist aus dem Libanon, importiert. Neben Gianaclis gab es damals noch zwei weitere Weinproduzenten am Nil: Chateau des Reves und Obelisk. Um das Jahr 2000 herum startete man bei Gianaclis Experimente.
Weinstöcke wurden aus dem Ausland importiert, hauptsächlich aus Frankreich und Italien. Den Reben machte jedoch das Klima zu schaffen. Es fällt kaum Regen in Ägypten und im Sommer steigen die Temperaturen auf über 40 Grad im Schatten. Das erfordert spezielle Bewässerungssysteme.
Der Deutsch-Ägypter Karim Hwaidak kann ein Lied davon singen. Er hat mit 30 verschiedenen Rebsorten über Jahre hinweg experimentiert – auf einem 75 Hektar großen Weinberg in der Wüste 50 Kilometer von Kairo und auf einem weiteren, 220 Hektar großen Areal im Süden des Landes bei Luxor. 2005 klopfte Gianaclis bei ihm an und fragte nach seinen Trauben. Zwar verkauft er sie an den Konzern, doch die besten behält er für sich – und macht seinen eigenen Wein daraus. 2007 kam unter dem Namen Sahara Vineyards sein erster eigener Wein auf den Markt, eine Mischung aus Viognier und Chardonnay. 2008 betrug die Produktion schon 60.000 Flaschen.
Der Weißwein heißt bei Sahara Vineyards Caspar, der Rotwein Nermin. Benannt hat Hwaidak sie nach seinen Kindern. Seine Rebsorten hat er mittlerweile auch gefunden. Für seinen Rotwein verwendet er eine Mischung der Sorten Syrah und Carignan. Die Weißweinpalette präsentiert sich umfangreicher. Da gibt es einen Viognier, einen Chenin Blanc sowie einen Blanc de Noirs aus der Sorte Grenache Noir. Hwaidak produziert auf dem Areal von Gianaclis.
Glaubt man jedoch den Gerüchten, die am Nil gerade in Umlauf sind, ist demnächst ein größerer Coup von Sahara Vineyards zu erwarten.
Hitze und sandige Böden sind die größte Herausforderung
In der Zwischenzeit geht Kouroum of the Nile auch international auf Erfolgskurs. Dahinter steckt das ehrgeizige Projekt des Milliardärs Samih Sawiris, der schon die künstliche Lagunenstadt El Gouna aus dem Sand der Wüste hat stampfen lassen. Dort steht auch seine Kellerei.
Die ersten Weinreben wurden 2002 gepflanzt. Drei Jahre später ging es am Roten Meer in die Weinproduktion. Verantwortlich dafür zeichnet sich bis heute das libanesische Ehepaar Rania und Labib Kallas. Sie ist Managerin des Weingutes, er Winzer. Die Mission war klar: einen genießbaren ägyptischen Wein herstellen.
Die Weinberge sind jedoch weit vom Roten Meer entfernt. Einer liegt im Nildelta zwischen Kairo und Alexandria, ein anderer 250 km südlich von Kairo. Heute werden die Sorten Cabernet Sauvignon, Chardonnay, Grenache, Merlot, Petit Verdot, Pinot Noir, Syrah und Vermentino angebaut.
Das Experimentieren ist allerdings noch nicht zu Ende. Die zum Teil extra aus Frankreich und Italien eingeflogenen Rebstöcke werden an unterschiedlichen Orten gepflanzt, um herauszufinden, welche Traube sich wo am besten kultivieren lässt. Das ist oft ein Glücksspiel. Denn zur großen Hitze kommt der sandige Boden.
Ägypten meldet sich auf der Weltkarte des Weines zurück
Die Verarbeitung der Trauben stellt am Nil ebenfalls eine Herausforderung dar. Vor allem der Rotwein hat Labib Kallas bei Kouroum of the Nile zu schaffen gemacht. Denn der muss eigentlich in Holzfässern lagern. Das ist aufgrund der klimatischen Bedingungen in El Gouna nicht möglich. »Das Holz würde sich bei diesem Klima ausdehnen und Luft in die Fässer hineingelangen. Dann wäre der Wein ruiniert«, sagt Rania Kallas.
So lagert man bei Kouroum of the Nile den Rotwein in Metallfässern und gibt Holzspäne für das charakteristische Aroma hinzu. Die Regierung überwacht die Weinproduktion streng. Mehr als vier Millionen Flaschen pro Jahr dürfen in der Kellerei in El Gouna nicht produziert werden.
Kouroum of the Nile produziert in Bioqualität. Doch nicht nur das, sondern auch der Geschmack kann überzeugen. Die Weine aus Ägypten haben mehrere europäische Preise gewonnen. So wurden sie bei der Challenge Millésime Bio in Montpellier ausgezeichnet, beim Concours Mondial in Brüssel und bei den Decanter World Wine Awards in London.
Das sind mehr als nur Achtungserfolge. Aktuell exportiert Kouroum of the Nile seine edlen Tropfen nicht. Aber was nicht ist, soll bald werden. Das erste Etappenziel ist jedenfalls erreicht: Das Land der Pharaonen meldet sich auf der Weltkarte des Weines zurück.
Bildquelle Titelbild: ©karimhesham – iStock.com